In der Front Row

Ich sitze an unserem großen Tisch in der WG. Neben mir befindet sich eine immer noch viel zu heiße Tasse Kaffee und meine Mitbewohner sind alle ausgeflogen. Seit langem trage ich mal wieder meine Brille, denn ich hatte vorhin beim Schälen der Yuka-Wurzeln für mein Abendessen irgendwie das Gefühl, ich sollte sie besser aufsetzen, wenn ich mit dem großen Messer auf die braune erdige Wurzeln einschlage. Auf meinem rechten Bein sitzt unsere kleiner Kater Oreo und schaut interessiert auf meine Finger, die sich über die Tastatur bewegen. Oke. Jetzt war es wohl doch zu langweilig und er hat sich verzogen – natürlich nicht ohne sich beim Abspringen noch mal schön mit seinen scharfen Krallen abzustoßen. Es ist Freitagabend und ich war vorhin direkt nach der Arbeit bei meinem geliebten CrossFit. Danach hatte ich wie immer ziemlich Hunger, was aber auch daran lag, dass ich von dem leckeren Rotwein-Kuchen, den ich heute für Esthers zweiten Geburtstag gebacken hatte, leider nicht wirklich viel abbekommen habe. Also hab ich mir vorhin die schon erwähnte Yuka gekocht und dann angebraten, dazu Reis gekocht und noch meine restlichen Pommes und das Hähnchenfleisch von gestern (wir waren mit unseren dänischen Mitfreiwilligen nach unserem Salsa Kurs noch im Foodpark essen) warm gemacht. Ja, ich weiß, Low Carb geht wohl irgendwie anders. Wie auch immer, jetzt habe ich auf jeden Fall wieder Hunger. Mal schauen, was ich mir gleich noch mache.

 

Aber zunächst einmal das eigentliche Ziel dieses Abends: dieser Blogeintrag. Ich habe mich mal wieder eine kleine Weile nicht gemeldet, aber ich denke, ich werde das jetzt in den nächsten Tagen wieder etwas aufholen können. Dieses Wochenende verbringen wir nämlich hier in Ibarra und nutzen die Zeit, um uns mit Freunden von hier zu treffen und endlich Weihnachtsplätzchen zu backen und zu essen, bevor es dann nächstes Wochenende mit den Dänen für 4 Tage in den Oriente, den richtigen Regenwald Ecuadors, geht …

 

Wieder vom Thema abgekommen, entschuldigung – dieser Blogeintrag: Tena.

 

Vor 2 Wochen waren wir drei Mädels – Swantje, Leonie und ich – in Tena. Diese kleine Stadt ist die Hauptstadt der Provinz Napo und gehört auch schon zum Gebiet des Oriente hier in Ecuador. Nach einer zwar direkten, aber von Umwegen geprägten 10-stündigen Fahrt (eigentlich braucht man nur ca. 6 Stunden mit dem Bus), machten wir uns nach unserer Ankunft am Samstagmorgen auf die Suche nach dem Hostel, das uns von unseren Mitfreiwilligen aus Quito und meinem Reiseführer empfohlen wurde. Es war so warm. Unsere Rücksäcke so schwer. Und der Berg, den wir hinauf mussten, so steil. Und dann an der laut GoogleMaps besagten Straße kein Hostel in Sicht. Aber nach einem kurzen Telefonat mit einem der Mitarbeiter, fanden wird dann doch noch den Eingang. Die etwas mühselige Anreise hatte sich wirklich gelohnt! Mein Reiseführer hat recht, wenn er schreibt: „Ein Aufenthalt in dem von Wald umgebenen Hostal Pakay fühlt sich weniger nach Hostel in der Stadt, sondern mehr nach Dschungel-Lodge an. […] und Kajakfreunde und Backpacker lieben die zum Relaxen einladende Terrasse.“ Denn wir wurden mit dem wohl bisher besten Frühstück hier empfangen (Croissants, Joghurt, verschiedenes frisches Obst, Haferflocken, Müsli, Marmelade, kleine Pfannkuchen, frisch gepresster Saft, …) und konnten dieses mit zwei weiteren Deutschen, einer Französin und einer Australierin genießen. Es entstanden gleich unterhaltsame Gespräche auf einer Mischung aus Spanisch, Englisch und Deutsch und der junge Deutsche kannte sogar den Hansenberg (denn er kam aus dem Taunus), was mich unheimlich freute.

 

Nachdem wir dann unser gemütliches und natürlich mit Moskitonetzen ausgestattetes 3er-Zimmer bezogen hatten, uns (bei diesen Temperaturen dort unnötigerweise) duschten, umgezogen und mit reichlich Sonnen- und Insektenschutz beschmiert hatten, ging es mit einem tschechischen Backpacker los zur halbtätigen Rafting-Tour, die der Hostelchef spontan für uns organisiert hatte.

 

[Kurzes Kater Update: Er ist zurückgekommen und nun friedlich auf meinem Schoß eingeschlafen.]

 

Wir waren zwar auch wirklich Feuer und Flamme, aber als es dann nach der Sicherheitseinweisung wirklich daran ging, in das gelbe Schlauchboot zu steigen und das im ersten Moment doch recht kalte Wasser des Río Napo unsere Füße umspülte, fragten wir uns schon, was genau wir hier eigentlich vorhatten. Aber spätestens nachdem wir nach der 3. Stromschnelle alle – wirklich alle – ins Wasser gefallen waren, war das Wasser doch auch gar nicht mehr so kalt und Spaß machte es sowieso mit den Kommandos des „Trainers“ über die Wellen und um die großen Felsen herum zu paddeln.

 

- Hier werde ich definitiv noch mindestens eines von den Videos, die wir mit Swantjes Action-Kamera gemacht haben, einfügen. Zur Zeit besitze ich diese aber leider noch nicht. -

 

Nach knapp 3 Stunden standen wir wieder auf festem Boden und obwohl wir alle mind. 4mal unfreiwillig und mehr als einmal freiwillig im Fluss gelandet waren, waren wir nicht so oft gekentert, wie die beiden noch trainierenden Kajak-Fahrer, die uns mit ihrem erfahrenen Trainer zu unserer Sicherheit begleitet hatten.

 

Am Nachmittag im Hostel beschlossen wir uns einfach mal ein wenig zu entspannen, was wir wirklich alle nötig hatten und später spazierten wir dann noch ein wenig durch die Stadt und aßen zu Abend.

 

Am Sonntag ging es dann in der Front Row (= direkt beim Busfahrer, damit wir offensichtlich touristischunterwegsen [mein Deutsch inzwischen = top!) Mädels auch ja gute Fotos machen konnten!) mit dem Bus nach Ahuano, einem kleinen Dorf weiter unten am Río Napo. Dort wartete schon Luis, ein Kumpel von Toni unserem Hostelchef, um uns mit seinem motorisierten Boot den Fluss entlang zu einer Kakao-Farm zu bringen. Im Folgenden genossen wir die kleine private Führung inklusive Herstellung und Verkostung unserer eigenen Schokoladen-Creme, sowie die Fahrt in diesem Boot, das wir ganz für uns alleine hatten. Ich hätte wirklich noch stundenlang den Río Napo hinunterfahren und einfach nur auf das Wasser und den angrenzenden Regenwald schauen können. Ich habe mich einfach frei und leer (in einem sehr positiven Sinne!) gefühlt. Und der Fahrtwind und die ab und zu aufspritzenden Wasserstropfen waren eine schöne Abkühlung bei den schwülen mehr als 30 Grad, die herrschten. Bevor wir uns dann mehr oder weniger direkt von dort wieder auf den Heimweg zurück nach Ibarra machten, luden uns Luis und seine deutsche Frau, die vor mehreren Jahren hierher ausgewandert war und jetzt ein kleines Restaurant am Flussufer in Ahuano besitzt, noch zu deutschem Essen an Weihnachten ein. Wir werden diese Einladung zwar wahrscheinlich nicht annehmen, da wir schon selbst geplant hatten hier bei uns gemütlich in Ibarra ein deutschen Weihnachtsessen zu veranstalten, aber gefreut haben wir uns natürlich trotzdem über dieses herzliche Angebot.

 

Oh man, jetzt wollte ich damit gerade diesen Eintrag schon abschließen und bin in mein Zimmer gelaufen, um die Speicherkarte mit den Bildern der Kamera und das Kabel für mein Handy zu holen, aber dabei ist mir eingefallen, dass ich unsere Rückfahrt ganz vergessen habe:

 

Auf der Rückfahrt sind wir dann nämlich über Baeza und Quito, also den kürzeren Weg, gefahren, mussten aber in Pifo bei Quito umsteigen. Das hat dazu geführt, dass im nächsten Bus nach Ibarra für uns keine Plätze mehr frei waren, da wir die Tickets ja nicht im Vorhinein kaufen konnten. Obwohl die Frau am Schalter uns wenig Hoffnung machte und Swantje und Leonie sich schon darauf einstellten 1 ½ Stunden auf den nächsten Bus warten zu müssen, gelang es mir jedoch durch nettes Fragen und einige verzweifelte Blicke beim Busfahrer uns doch noch 3 Plätze zu beschaffen. Wieder Front Row. Diese Fahrt war nicht wirklich bequem, aber es entstand ein gute Stimmung durch den durch die 80er Jahre geprägten Musikgeschmack des Busfahrers und der Gespräche, die wir mit ihm und seinem Begleiter führten. Es war fast schade, als nach mehr als einer Stunde dann hinten im Bus Platz für uns war und wir uns doch zu den anderen Fahrgästen begeben mussten.